In der Heimatzeitung darf geschwurbelt werden – Und wen interessiert das?

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  1. Februar 2020

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht. Da hatte der Soester Anzeiger die gänzlich neue Idee, den Parteien bei bestimmten Themen Platz zur Selbstäußerung einzuräumen. Spielregel: Die verfügbare Textlänge richtet sich nach der jeweiligen Anzahl der Ratsmandate. Das Ergebnis ist eine Zeitungsseite, auf der – für eine Zeitung ungewöhnlich – viel Weiß zu sehen ist. Die Texte stehen da wie hängende Orgelpfeifen, die kleine AfD steht unten rechts in der Ecke. Das wiederum ist nicht etwa ein versteckter politischer Kommentar der Redaktion, sondern resultiert aus der Tatsache, dass in einem 7-spaltigen LayoutSystem 8 Parteien nicht gut nebeneinander unterzubringen sind.

Und was machen die Parteien? Sie erachten das ANGEBOT, den Platz zu füllen als PFLICHT, den Platz zu füllen! Das Ergebnis sind – insbesondere bei der CDU (meiste Ratssitze, längster Text) – schwurbelige Placebo-Texte. Die anderen Parteien werden in der Aussage gezwungenermaßen umso präziser, je kleiner sie sind und je kürzer die Texte werden. Ist das so gewollt?

Diese Woche erst wieder: Was sagen die Parteien zur gescheiterten Krankenhausfusion? Die CDU springt (wie alle anderen auch) über das Stöckchen und schwurbelt und kurbelt und sagt am Ende: Nix! Genaues weiß man nämlich nicht! – Ehrlich: Ich lese das alles nicht. Nicht von A bis Z. – Ab und an lese ich die paar Zeilen der AfD. Das ist schön kurz. Am Ende werden meine Gedanken noch ganz blau, wer weiß…. Ist das so gewollt?

Leute, Leute! – Dass Politiker faseln können, das wissen wir doch. Auch in Soest. Was wir aber brauchen, sind nicht gedrechselte Texte, sondern gute Taten und starke Köpfe. Was wir brauchen, ist kein Geschwurbel, sondern eine klare, präzise Sprache. Und wir sehnen uns nach Politikern, die den Mut haben, die eigene Haltung exakt zu benennen. Das kann von mir auch mal ein „Ich weiß es im Moment doch auch nicht!“ sein. Oder. “Zu diesem Thema wurde von unserer Seite alles gesagt!” Oder: “Einen konkreten Vorschlag dazu liefern wir in 2 Wochen.” – Aber nein: Politiker tun immer so, als seien sie perfekt, könnten alles, wüssten alles, machten alles. – So einfach ist das Leben aber nicht, wie jeder von uns weiß. Und es kann auch nicht sein, dass der jeweilige politische Gegner immer doof ist. Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Wer also traut sich, kürzer und präziser zu texten? Obwohl noch Platz da ist?

Journalismus übrigens besteht ja durchaus darin, Meinungen einzuholen, diese zu gewichten und zu veröffentlichen. Die Gewichtung sollte aber ja eigentlich von Journalisten aktiv vorgenommen werden. Das Ergebnis der Gewichtung ist dann eine Veröffentlichung – oder eben keine Veröffentlichung. Das Zurverfügungstellen von Textflächen in Abhängigkeit der Menge der Ratsmandate ist noch keine Gewichtung. Das ist bloß ganz einfacher Proporz.

Ewald.Pruente@SeostExtra.info